Saarbrücken · Die Saar-IHK sieht einen bisher nie gekannten Frust in mittelständischen Unternehmen. Sie wirft der Bundesregierung vor, Werte wie Unternehmergeist und selbstständiges Handeln systematisch zu zerstören. Die Politik tue derzeit so, als müsse sie selbst alles regeln.
IIm saarländischen Mittelstand macht sich Ernüchterung breit. In vielen Betrieben ist die Stimmung auf dem Tiefpunkt. Wie konnte es dazu kommen? Petra Krenn ist seit 25 Jahren selbst Unternehmerin und steht heute als Geschäftsführende Gesellschafterin an der Spitze der Ottweiler Druckerei. Als Mitglied der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer (IHK) des Saarlandes kümmert sie sich um die Interessen des Mittelstandes. Wenn sie mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Saarland oder auch auf Bundesebene ins Gespräch kommt, sei immer häufiger der Satz zu hören: „Es reicht jetzt!“ Selbst eingefleischte, an Krisen gewöhnte Firmen-Chefs verfolgten nicht mehr das Ziel, das Unternehmen an die nächste Generation zu übergeben, sondern dächten immer häufiger daran, den Laden endgültig dicht zu machen.
Bundesregierung trage Hauptschuld
Petra Krenn sieht die Bundesregierung als Hauptschuldigen für den aufgestauten Frust an. Es habe sich unter der Ampelregierung eine Regulierungswut breit gemacht, wie man sie bisher noch nicht erlebt habe. „Ich sehe für die Wirtschaft total schwarz, wenn das so weitergeht“, sagt Krenn. „Wir als Mittelständler wären schon froh, wenn uns die Politik einfach unsere Arbeit machen lassen würde. Doch diese Regulierungswut zerstört den Mittelstand und zugleich Werte wie Unternehmergeist und selbstständiges Handeln. Man wird stattdessen an die Kette gelegt.“ Die Ampelregierung verabschiede im Rekordtempo Gesetze und Verordnungen, während die Betriebe keine Zeit mehr hätten, sich in die Vielzahl an Vorgaben einzuarbeiten, geschweige denn diese umzusetzen.
Die Politik erwecke den Eindruck, selbst alles regeln zu müssen. „Wir Unternehmer haben aber nicht jahrelang tatenlos gewartet, bis die Politik mit Vorstellungen etwa zum Umwelt- und Klimaschutz anrückt, sondern setzen solche Maßnahmen seit Jahren selbst um. Wir haben alle ein Interesse daran, das Klima zu schützen und die Lebensgrundlagen zu bewahren. Da müssen wir nicht erst auf die Politik warten“, kritisiert Krenn.
Der Mittelstand werde für sein Engagement bestraft
Der Mittelstand sei größter Arbeitgeber in Deutschland und führe zugleich die meisten Steuern an den Bundesfinanzminister ab, der ohne die finanziellen Beiträge der mittelständischen Unternehmer zahlreiche Projekte im Haushalt überhaupt nicht realisieren könne. Der Mittelstand als starke Stütze der Wirtschaft auf Bundes- und Landesebene werde jedoch für sein Engagement bestraft.
Nach einer Definition der EU gelten Betriebe, in denen bis zu neun Personen beschäftigt sind, als Kleinstunternehmen. Kleine Unterrnehmen beschäftigen bis zu 49 Personen, mittlere Unternehmen bis zu 249 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Was darüber hinaus geht, gilt als Großunternehmen.
Politik schüre Neidbild von neureichen Unternehmern
Nach Beobachtung von Krenn schürten zudem Teile der Politik permanent ein Neidbild, riefen regelmäßig nach der Vermögensteuer und höheren Erbschaftssteuern, weil sie in der Öffentlichkeit bewusst den Eindruck erwecken wollten, bei Unternehmern handele es sich nur um Reiche und Superreiche, die ihr Geld auf Kosten der Gesellschaft verpulvern, in teuren Privatjets reisen, regelmäßig in Fünf-Sterne Hotels absteigen und ständig Champagner schlürfen. „Ich kenne nicht einen einzigen mittelständischen Unternehmer, der diesem Bild wirklich entspricht. Das sind keine Neureichen, sondern alles solide, seriöse Menschen, die wirklich ihren Job machen und ihre Unternehmen teilweise auch schon mehrere Jahrzehnte führen“, sagt Krenn. Besonders nervt sie, „wenn dann auch noch behauptet wird, Unternehmer gingen schlecht mit ihren Mitarbeitern um und seien nur an sich selbst und ihrem Geldbeutel interessiert“. Solche Vorurteile hätten mit der Wirklichkeit in mittelständischen Unternehmen nichts zu tun.
Das Imageproblem des Mittelstandes beginne nicht in der Politik, sondern schon in den Schulen. Dort werde von manchen Lehrern ein verzerrtes Bild vom Unternehmertum vermittelt, das eigenen Vorurteilen, nicht aber der Wahrheit entspreche. Dieses Weltbild vermittele den Eindruck einer unmittelbar bevorstehenden Apokalypse, an der auch die Unternehmer mit Schuld seien. „Ich fände es besser, wenn man zum Beispiel Wandertage einmal dafür verwenden würde, ein Unternehmen zu besichtigen, damit sich jeder vor Ort selbst informieren kann, was da wirklich gemacht und geleistet wird. Das würde sehr dabei helfen, ein realistisches Bild vom Unternehmertum und seinen Beiträgen für eine funktionierende Wirtschaft und Gesellschaft zu vermitteln.“ Zugleich fordert Krenn als Mitglied der IHK-Vollversammlung die Landespolitik dazu auf, generell an allen Schulen mehr praxisnahes Wirtschaftswissen zu vermitteln.
Mittelstand werde steuerlich benachteiligt
Der Mittelstand werde auch steuerlich benachteiligt. Wenigstens eine international vergleichbare, wettbewerbsfähige Steuerbelastung müsse hergestellt werden, fordert die Saar-IHK. Nach Zahlen der OECD betrage die nominelle Steuerbelastung für Kapitalgesellschaften in Deutschland rund 30 Prozent. Von 100 000 Euro Gewerbeertrag müsse eine GmbH für Körperschaftssteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer demnach 30 000 Euro abführen – in Saarbrücken wegen des hohen Gewerbesteuerhebesatzes 32 000 Euro. Im Durchschnitt der OECD-Staaten liege die Belastung dagegen bei 23 Prozent, im Schnitt der EU-Staaten nur bei 21 Prozent, führt die IHK aus. Personengesellschaften in Deutschland müssten regelmäßig eine Steuerbelastung von deutlich über 30 Prozent schultern, in der Spitze bis zu 45 Prozent. Auch diese liege deutlich über dem Niveau der OECD-Staaten. Wichtigste Beiträge, um die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Mittelstandes zu erhöhen, seien der Verzicht auf Steuererhöhungen und eine Vereinfachung des Steuerrechts.
Erschienen in Saarbrücker Zeitung (Thomas Sponticcia)